Donnerstag, 15. Januar 2015

Rezension: Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics: Kaiserin Elisabeths intimste Freundin von Gudula Walterskirchen und Beatrix Meyer


Heute stelle ich mal wieder ein Buch vor: Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics. Das Werk hat 303 Seiten, die in 8 Kapitel unterteilt sind sowie 13 Abbildungen. Die hier abgedruckten Tagebucheinträge der Gräfin stammen aus den Jahren 1871 bis 1884, 1904 bis 1906 und von 1917 bis 1918. Es fehlen also die Geschehnisse aus den Jahren 1889 - dem Selbstmord von Kronprinz Rudolf in Mayerling - und die Ermordung der Kaiserin Elisabeth in Genf im Jahre 1898.

In dem ersten Abschnitt wird Gräfin Marie Festetics vorgestellt, sie entstammt einer alten kroatischen Adelsfamilie die sich in Österreich-Ungarn niedergelassen hatte. Auch wird die Familie der Gräfin, ihre Eltern und Geschwister, beschrieben. Der Festetics-Stammbaum im Anhang erweist sich als hilfreich, um die vielen Geschwister der Gräfin Marie zu unterscheiden. Trotz vieler Schicksalsschläge bleiben sich die Familienmitglieder eng verbunden, wie man den Aufzeichnungen der Gräfin entnehmen kann.

Als junge Frau aus gutem Hause wird Gräfin Marie Festetics an den kaiserlichen Hof berufen. Sie diente hier zuerst als Hofdame der Erzherzogin Clotilde, der Gattin von Erzherzog Joseph Karl von Österreich, der aus der ungarischen Linie der Habsburger stammte. Später wird Gräfin Marie, durch die Vermittlung ihres väterlichen Freundes Ferenc Deák, von der Kaiserin Elisabeth als Hofdame angefordert. Als Ungarin ist die Gräfin nicht bei allen am Wiener Hof gern gesehen, vor allem die Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie, und deren Hofstaat behandeln sie abweisend.

Gräfin Marie Festetics war eine sehr gebildete und politisch interessierte Frau, sie verbanden enge Freundschaften zu zwei der wichtigsten Männer Ungarns, den bereits erwähnten Ferenc Deák und Graf Gyula Andrássy. Für letzteren schwärmte die Gräfin heimlich in ihrem Tagebuch. Als Hofdame in kaiserlichen Diensten galt für Gräfin Marie das Heiratsverbot, wollte sie heiraten musste der Dienst quittiert werden. Doch trotz vieler Bewerber um ihre Hand, unter andrem ein adeliger Russe und ein Mitglied des Hofstaats des exilierten Königs von Neapel-Sizilien, blieb die Gräfin ledig. Was an ihrer Herrin, der Kaiserin, lag. Sie verbot jede Eheschließung ihrer Vertrauten und wollte sie um sich haben.

An der Seite des Kaiserin erlebte Gräfin Marie nicht nur schöne Zeiten, andere Höflinge machten ihr das Leben schwer. Die Gräfin war eine ehrliche Frau und hasste Getratsche, Pech nur das alle anderen Personen am Kaiserhof gerade diese Beschäftigung liebten. So war Gräfin Marie ständig in Intrigen und Verleumdungen verwickelt, sowie von Menschen umgeben, die über die bei ihnen unbeliebte Kaiserin herzogen.

Durch die Aufzeichnungen der Gräfin wird man die Geschwister der Kaiserin Elisabeth mit ganz anderen Augen sehen. Vor allem Königin Marie von Neapel kommt hier nicht gut weg, sie verbreitet Gerüchte und spinnt schließlich auch Intrigen gegen Gräfin Marie. Kaiserin Elisabeth lässt ihren Brüdern und Schwestern einiges durchgehen, wie auch ihrer jüngsten Tochter Erzherzogin Marie Valerie. Die kleine Erzherzogin mochte die Gräfin nicht.

Das Verhältnis der Gräfin Marie zu Kaiserin Elisabeth war nicht frei von Konflikten, manchmal haderte die Gräfin mit ihrem Schicksal, und damit auf eine eigene Familie zu verzichten um für ihre Herrin da zu sein. Aber immer trug "Sie" den Sieg davor:

Es hat mich dann so erschüttert, daß ich bis an mein Lebensende weder die Stimme, noch die Augen, noch dies Liebe vergessen werde. Jetzt weiß ich, warum ich auf der Welt bin! Mit Leib und Seele Ihr zu dienen bis zum letzten Athemzug in Treue, Liebe und Ergebenheit. Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics, Seiten 104-105

In ihrem Tagebuch beschreibt Gräfin Marie auch die schlechten Eigenschaften und Fehler ihrer Kaiserin. Aber sie beliebt stets nachsichtig und bewundernd. Die Gräfin notierte auch Gespräche die die beiden führten. Gräfin und Kaiserin wurden mit der Zeit immer mehr zu Vertrauten, so weit es ihre unterschiedlichen Stände zuließen.

Die Ruhelosigkeit der Kaiserin Elisabeth sorgte dafür das Gräfin Marie viel von der Welt sah. Sie begleitete ihre Majestät unter anderem nach England und Irland, wo die Kaiserin fanatisch den Reitsport betrieb. Auch Reisen nach Madeira und Korfu machte die Gräfin mit. Auch in der Habsburgermonarchie hielt man sich öfter auf, wie in Schloss Miramar in Triest oder im ungarischen Schloss Gödöllő. Auch die Verwandtschaft der Kaiserin wurde besucht, wie Königin Marie von Bayern, die Mutter der Könige Ludwig II. und Otto. Auch Kaiser Pedro II. von Portugal und Königin Victoria von Großbritannien tauchen im Tagebuch der Gräfin Marie auf. Besonderes Interesse hatte die Gräfin an der russischen Zarenfamilie, sie beschreibt den Zaren Alexander II und seine Frau Maria Alexandrowna, sowie den Zarewitsch Alexander (III.) und dessen Gattin Dagmar von Dänemark. Auch über die "Geisteskranke" Kaiserin Charlotte von Mexiko weiß sie einiges zu berichten.

Die Gräfin Marie war auch kulturell interessiert und lernte neben Richard Wagner, dessen Musik sie sehr verehrte, auch Franz Liszt und andere Künstler kennen. Neben der Kultur war die Politik eine der größten Leidenschaften der Gräfin. Mit diversen Politikern befreundet, hält sie auch ihre Eindrücke zur österreich-ungarischen Innen- und Außenpolitik in ihrem Tagebuch fest. Auch den Fall des letzten Kaisers Karl I. und das Ende der Monarchie sieht sie voraus.

Die Jahre nach ihrer Entlassung aus dem Hofdienst verbringt Gräfin Marie mit der wehmütigen Erinnerung an ihre Kaiserin. Sie besucht Orte wohin sie zusammen gereist waren und trauert der gemeinsamen Zeit nach. Über die Jahre hat die Gräfin alle ihre Familienangehörigen verloren, die von ihrem Geld zurückgekauften Familiengüter kamen ihnen nicht mehr zu Gute.

Zu den Tagebucheinträgen haben die Herausgeberinnen informative Texte beigesteuert. Im Anhang findet sich noch eine Zeittafel, Quellen- und Literaturangaben, zwei Festetics-Stammbäume und das Personenregister.



Meine Meinung:
 
Die Gräfin Marie war eine sehr sympathische Person, ihr Tagebuch ist interessant zu lesen.
Die Einblicke in den Hofalltag und die Wiedergabe der Gespräche
mit Kaiserin Elisabeth gefallen mir sehr gut.
Die Meinungen der Gräfin zu den anderen Habsburgern sowie zu der bayerischen Familie
der Kaiserin ist sehr unterhaltsam.
Die bereits erwähnten Stammbäume der Festetics sind ebenfalls lobenswert.
Der Bildteil umfasst leider nur zwei Bilder der Gräfin Marie, ich hätte gerne mehr von ihr
und auch von ihrer Familie gesehen
Alles im allen ein gutes Buch und absolut empfehlenswert.




Erhältlich bei: Residenz Verlag oder im Buchhandel



Buch-Information
Verlag: Residenz (2014), Gebunden mit Umschlag, 304 Seiten
ISBN:  978-3701733385, Sprache: Deutsch, Format: 140 x 220
Preis: 24,90 €

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